
Bremssysteme
Der Bremsvorgang beruht auf Reibung. Es gibt dabei keine weiteren physikalischen Größen oder Kräfte, es geht lediglich um die Reibung zwischen dem Bremsbelag und der Trommel bzw. dem Bremsbelag und der Bremsscheibe. Die Reibung zwischen dem Reifen und der Straße sorgt letztendlich für die entsprechenden Bremskräfte. Die Bremskraft entsteht durch die Berührung zweier verschiedener Materialien mit einem bestimmten Reibungskoeffizienten.
Bei der Bremskontrolle geht es allgemein um die Aufrechterhaltung des Schlupfes der Räder zur besseren Kontrolle des Fahrzeuges. Beim Blockieren der Räder können Sie nicht mehr lenken. Zur Erhaltung der Lenkfähigkeit versucht daher ein Bremssteuersystem ein komplettes Blockieren der Räder zu verhindern. Es soll dabei die Lenkfähigkeit erhalten bleiben, aber trotzdem ein Teil der Bremskraft durch Reibung über das Rad auf die Straße gebracht werden. Dies ist das Grundprinzip der Bremsen und gilt für Pkw, Lkws, Auflieger, Motorräder und nun auch Fahrräder - Bosch hat in diesem Zusammenhang ein Antiblockiersystem (ABS) für Vorderrad-Scheibenbremsen von Elektrofahrrädern entwickelt.
Auf dem Fahrrad oder im Auto erfolgt die Betätigung der Bremsen durch den Körpereinsatz des Fahrers (einige Fahrzeuge bieten hierbei eine gewisse Unterstützung). Mit bis zu 40 Tonnen sind Lastkraftwagen aber viel zu schwer, als dass ein Mensch so viel Kraft aufbringen könnte. Lastwagen und Auflieger verwenden daher stattdessen ein von einem Kompressor angetriebenes Pneumatiksystem. Bei Betätigung des Bremspedals wirkt dies wie ein Bremssignal, wobei die Übertragung früher durch Luft in Leitungen mit kleinem Querschnitt an Relaisventilen erfolgte. Diese leiteten die Luft an den Aktuator/Bremszylinder weiter, der gegen den Kolben drückte, der wiederum einen Hebel auf der Bremskammer bewegte, um die Kraft zur Erzeugung von Reibung in der Bremsscheibe bzw. -trommel bereitzustellen. Die Bremstrommel wird mit Hilfe des Bremsaktuators mit einem Mechanismus verbunden, der die Beläge bei Verschleiß automatisch gegen die Trommel ausdehnt.
Bei früheren Bremssystemen blockierten die Räder bei einer zu starken Betätigung der Bremsen, was dazu führte, dass das Fahrzeug ins Schleudern geriet. Die Straßenoberfläche beeinflusst dabei das Ausmaß des Blockierens. Auf einer trockenen Oberfläche werden 80% der Normalkraft einer Bremse in Reibung umgesetzt. Bei nasser Fahrbahn sinkt dieser Wert auf 20% und bei Eisglätte auf weniger als 1%. Beim Blockieren der Räder gibt es zwar immer noch Reibung, das größere Problem ist aber der Verlust der Lenkfähigkeit, da die Trägheit das Fahrzeug geradeaus schiebt. Selbst beim Drehen des Lenkrads behält das Fahrzeug seine ursprüngliche Bewegungsrichtung bei.
Mitte der 1970er Jahre wurden daher Antiblockiersysteme (ABS) für Lkws und in den 1990er Jahren für Auflieger eingeführt (Modal, 1991; Modular, 1998), um dies zu verhindern. Diese Systeme vergleichen dabei die Fahrzeuggeschwindigkeit mit der Rotationsgeschwindigkeit des Rades. Ist das Rad blockiert bzw. bewegt es sich langsamer als das Fahrzeug, werden die Bremsen für eine kurze Zeitspanne vom ABS-System gelöst. Die Bremsen werden hierbei nicht betätigt, und zwar bis die beiden Räder synchronisiert sind. Diese Variable wird als Schlupffaktor bezeichnet. Bei einem Schlupffaktor von Null dreht das Rad frei durch, wohingegen ein Schlupffaktor von 100% bedeutet, dass das Rad blockiert ist. Ein optimales Bremsen und Lenken erfordern einen Schlupf von 20-30%. Zur Lösung der Bremsen wird mit Hilfe des ABS einfach Luft aus der Bremskammer abgelassen. Das ABS-System greift im Idealfall nicht ein. Wenn Sie vorsichtig fahren und alles vor Ihnen beachten, wird das ABS-System nicht aktiviert.
Einige Jahre später kamen dann elektronische Bremssysteme für Anhänger auf den Markt, wie z.B. EB+ Gen1 im Jahr 2001. Im Vergleich zum ABS betätigen EBS-Systeme für Auflieger die Bremsen, wobei das elektronische Bremssystem (EBS) bei jedem Bremsvorgang die Kontrolle hat. Dies erfolgt durch den Empfang eines elektrischen Signals für die Bremsbetätigung von der Zugmaschine. Die größte Verbesserung besteht nun darin, dass es keine Verzögerung zwischen dem Empfang eines Signals und der Betätigung der Bremsen gibt. Während sich Drucksignale in der Luft mit Schallgeschwindigkeit ausbreiten, sind elektrische Signale mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs. Dadurch sorgt das EBS-System für einen wesentlich kürzeren Bremsweg. Hierfür wird ein zusätzliches Magnetventil eingesetzt. Es gibt außerdem noch ein mit dem Luftbehälter verbundes Relais, der als Bremsenergiespeicher dient.
Das Auflieger-EBS löst und betätigt gleichzeitig die Bremsen und ist daher auch in der Lage, strategische Anwendungen zur Stabilitätskontrolle durchzuführen. Mit Hilfe eines im EBS integrierten Beschleunigungsmessers prüft das System die Geschwindigkeit und kann - je nach Bewegung - eine bzw. beide Seiten der Bremse vorzeitig einsetzen. Bei einer überhöhten Geschwindigkeit kann so stabilisierend auf den Auflieger eingewirkt werden.
Die europäischen Vorschriften schreiben lediglich vor, dass Lkws und Zugmaschinen mit ABS und Stabilitätskontrolle ausgestattet sein müssen, vom EBS ist hierbei nicht die Rede. Die damit einhergehenden Leistungsverbesserungen sind jedoch so groß, dass in Europa niemand ABS-Systeme mit Stabilitätskontrolle einsetzt. Man verwendet stattdessen EBS-Systeme mit elektrischen Bremsanforderungssignalen und einem geschlossenen Regelkreis. Das EBS-System betätigt also die Bremsen und erfasst den Bedarf sowie das Ergebnis hinsichtlich des Drucks in der Bremskammer. Das ABS-System ist eine offene Steuerung, die lediglich die Überprüfung der Fahrzeuggeschwindigkeit sowie das Lösen der Bremsen durchführt. Das ABS-Stabilitätssystem betätigt ebenfalls die Bremse, ist aber auch ein offener Steuerkreis, der das Ergebnis nicht überprüft.
Die Version EB+ Gen2 des Haldex-Auflieger-EBS kam 2008 auf den Markt, EB+ Gen3 im Jahr 2014 und EB+ 4.0(Gen4) 2020 (letztendlich erfolgte die Markteinführung wegen COVID-19 aber erst 2022). Das Gehäuse des ersten Systems wurde anfangs – aufgrund der geringen Nachfrage auf dem Zielmarkt - aus einem massiven Aluminiumblock gefräst und später durch ein Gehäuse aus technischem Kunststoff ergänzt. Bei der Version EB+ Gen2 gab es eine erhöhte Anzahl elektrisch gesteuerter Eingänge und CPUs und es wurde wieder auf Aluminiumdruckguss für eine größere Flexibilität in der Produktion zurückgegriffen.
Mit der Version EB+ 4.0 soll nun eine möglichst große Anzahl von Produkten in einer einzigen Plattform abgedeckt werden. Der modulare Aufbau ermöglicht es – je nach Funktionsumfang - so viele Module auszustatten wie erforderlich. Ein entscheidender Vorteil ist die Gewichtseinsparung: 2 kg im Vergleich zur Version EB+ Gen3. Sie umfasst weitere Zusatzfunktionen, wie z.B. Heben und Senken, Liftachsventile und Parken. Es gibt ein ausgeklügeltes Steuergerät (ECU) mit erhöhter Intelligenz und Rechenleistung. Bei der Version EB+ Gen3 gab es maximal fünf verschiedene Nutzer, bei EB+ 4.0 sind es nun acht Nutzer. Im Laufe der verschiedenen Versionen hat auch die Rechenleistung ständig zugenommen.
Darüber hinaus gibt es eine zunehmende Konnektivität. Das EBS ist die einzige standardisierte Stromquelle in einem Auflieger. Es versorgt Zusatzfunktionen wie Soft Docking oder Telematik und verbindet alle elektrischen Systeme in der Umgebung, da Auflieger mit Umgebungstemperatur nicht mit Strom versorgt werden. Daten- und Stromanschlüsse sind nun sogar miteinander verbunden. Bei dem bisherigen reinen ABS-System gab es in der Vergangenheit einen fünfpoligen Stecker. Bei der Umstellung der Auflieger auf EBS im Jahre 2001 wurde das Standard-Stromversorgungskabel auf sieben Pins erweitert sowie um CAN low und CAN high ergänzt. Gemäß der digitalen CAN-Bus-Kommunikationsnorm ISO 11992 bezieht das EBS auch auf diese Weise die Bremsanforderung.
Zur Energieeinsparung ist künftig ein Umstieg auf eine elektromechanische Bremse geplant. Bei jeder Bremsbetätigung geht Energie verloren, da vorkomprimierte Luft freigesetzt wird. Dieser Druck wird von einem mit dem Motor verbundenen Kompressor erzeugt, wobei der Motor Kraftstoff verbraucht. Luft ist eine teure Energiequelle, die alle aus dem Lkw entfernen möchten. Die derzeit von Haldex entwickelten elektromechanischen Bremsen umfassen ein vollelektrisches Brake-by-Wire-System, bei dem die Luftleitungen und pneumatischen Bremszilinder entfernt und durch elektrische Leitungen sowie einen Elektromotor am Radende ersetzt werden, wobei dieser Elektromotor Kraft auf eine Bremsscheibe ausübt. Zum Bremsen nutzt das System aber - trotz dessen technischer Ausgereiftheit - nach wie vor die Reibung zwischen Bremssattel und Bremstrommel sowie zwischen Reifen und Straße.




