
Den Sicherheitsherausforderungen moderner Landmaschinen gerecht werden
Wie die Bremstechnologie von Haldex den Anforderungen immer leistungsstärkerer Zugmaschinen und Anhänger gerecht wird
Die Agrarindustrie durchläuft derzeit einen tiefgreifenden Wandel in Bezug auf Größe und Leistungsfähigkeit. Moderne Ackerschlepper haben mittlerweile in der Regel eine Leistung von bis zu 700 PS – das entspricht dem Zehnfachen der Maschinen, die noch vor zwei Jahrzehnten zum Einsatz kamen – und Anhänger können heute Lasten von 20 bis 30 Tonnen transportieren, während es früher nur 3 bis 5 Tonnen waren. Diese gewaltige Zunahme an Größe und Leistungsfähigkeit hat zu neuen Anforderungen in Sachen Sicherheit geführt, die ausgeklügelte Bremslösungen erfordern.
Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung im Bereich Bremssysteme für Nutzfahrzeuge hat Haldex spezielle Komponenten für landwirtschaftliche Zwecke entwickelt, die diesen wachsenden Anforderungen gerecht werden. Das Solenoid-Anhängersteuerventil (STCV) sowie das Abreißventil (ELR) des Unternehmens sind zielgerichtete Ingenieurlösungen für die speziellen Herausforderungen moderner landwirtschaftlicher Betriebe.
Die zunehmende Größe landwirtschaftlicher Maschinen
Die drastische Zunahme von Leistungsvermögen und Kraft landwirtschaftlicher Maschinen sind Folgen des Bevölkerungswachstums und der Ernährungssicherheit sowie zunehmend unvorhersehbarer Wetterverhältnisse im Zuge des Klimawandels. Die Agrarindustrie steht mehr und mehr unter Druck und muss ihre Produktivität maximieren. Größere, leistungsstärkere Maschinen ermöglichen es den Landwirten, effizienter zu arbeiten und diesen wachsenden Anforderungen gerecht zu werden.
Mit zunehmender Größe steigen jedoch auch die Anforderungen an die Sicherheit. Die Betriebsgeschwindigkeiten haben zugenommen und Siegfried Heer, Senior Commercial Product Manager Air Controls bei Haldex erklärt, dass aus den einfachen landwirtschaftlichen Fahrzeugen hochentwickelte Maschinen geworden sind, die eine entsprechende Qualifikation erfordern: „Es handelt sich mittlerweile um technische Fahrzeuge, die oft nur mit viel Fachwissen sicher gefahren und bedient werden können“, sagt er.
Das Solenoid-Anhängersteuerventil
Eine der größten Herausforderungen in Bezug auf Anhänger-Bremssysteme in der Landwirtschaft ergibt sich aus den üblicherweise verwendeten hydraulischen Bremssystemen. Während Nutzfahrzeuge mit pneumatischen Systemen ausgestattet sind, verwenden Zugmaschinen in der Regel hydraulische Systeme zur Erzeugung von Bremssignalen, die für den Anhänger in pneumatische Signale umgewandelt werden müssen.
Das Verdrängungsvolumen von hydraulischen Bremssystemen ist von Natur aus begrenzt, wodurch die Querschnitte der im System verwendeten Ventile eingeschränkt werden. Diese Einschränkung führt zu einer typischen Bremsverzögerung, die sich besonders auf den Anhänger auswirkt. Betätigt ein Fahrer die Bremse der Zugmaschine, reagiert diese sofort, während der Anhänger verzögert reagiert. Diese Verzögerung kann zu einer gefährlichen Situation führen, in der der Anhänger nach vorne schiebt und die Zugmaschine beim Bremsen überholt. Erfahrene Fahrer können dies ausgleichen, indem sie zunächst einen höheren Bremsdruck aufbringen und dann etwas nachlassen. Weniger erfahrene Fahrer könnten jedoch Schwierigkeiten mit dieser Technik haben und gefährliche Situationen verursachen.
Die Lösung von Haldex ist das Solenoid-Anhängersteuerventil (STCV). Heer erklärt, dass das STCV zu Beginn des Bremsvorgangs unabhängig vom Bremsdruck in der Zugmaschine agiert. Bei Betätigung der Bremse der Zugmaschine und Aktivierung der Bremsleuchte sendet das Solenoid umgehend ein pneumatisches Signal von etwa 0,8 bar an den Anhänger. Dieses Vorab-Signal sorgt dafür, dass der Anhänger unabhängig und gleichzeitig mit der Zugmaschine zu bremsen beginnt, wodurch die gefährliche Verzögerung vermieden wird.
Dieses erste Signal allein würde für eine Notbremsung nicht ausreichen. Daher funktioniert das herkömmliche Anhänger-Steuerventil auch weiterhin zusätzlich zum Solenoid-System und erhöht den Bremsdruck am Anhänger je nach Bedarf und abhängig vom Verhalten des Fahrers. Dieser Ansatz mit doppelter Wirkung gewährleistet einerseits eine sofortige Reaktion und andererseits eine volle Bremsleistung.
Notfall-Leitungsschutz
Ergänzend zum STCV gibt es das Abreißventil (ELR) – eine Komponente, die durch erst kürzlich in Kraft getretene Bestimmungen im Agrarsektor vorgeschrieben ist. Das Abreißventil kommt zum Einsatz, wenn die gelbe Signalleitung, die den Anhänger mit Druck versorgt, ausfällt.
Bei Anhänger-Bremssystemen in der Landwirtschaft sind Zugmaschine und Anhänger über zwei Pneumatikleitungen miteinander verbunden: die gelbe Signalleitung und die rote Versorgungsleitung. Bei einem Ausfall der gelben Leitung bemerkt der Fahrer das Problem meist nicht sofort – allerdings kommt es beim Bremsen zu einem starken Luftverlust. Zur Auslösung der Notbremsfunktion muss auch die rote Versorgungsleitung ihren Druck verlieren. Da die rote Leitung jedoch mit dem Luftbehälter der Zugmaschine verbunden bleibt, würde das Entleeren des Systems ohne Eingriff zu lange dauern.
Das ELR löst dieses Problem, indem es den Behälter der Zugmaschine bei einem Ausfall der gelben Leitung vom Anhängersystem isoliert. Diese Trennung führt zu einer drastischen Beschleunigung des Druckabbaus der roten Leitung. Die gesetzlichen Anforderungen schreiben vor, dass der Druck der roten Leitung innerhalb von zwei Sekunden auf unter 1,5 bar fallen muss – eine Vorgabe, die vom ELR erfüllt wird.
Diese Notfallfunktion ist seit langem in die Systeme von Nutzfahrzeugen und ihren Anhängern integriert, während Fahrzeuge in der Landwirtschaft traditionell mit geringeren Geschwindigkeiten – in der Regel unter 25 km/h und maximal 40 km/h – eingesetzt wurden und daher nicht die gleichen Vorschriften erfüllen mussten. Die Gesetzgebung mit der Forderung nach dieser Sicherheitsfunktion in der Landwirtschaft wurde vor etwa acht Jahren eingeführt. Dies verdeutlicht die Entwicklung der Branche hin zu höheren Geschwindigkeiten und schwereren Lasten.
Technische Überlegungen für den Einsatz in der Landwirtschaft
Auch wenn sich viele Grundsätze direkt aus dem Einsatz im Nutzfahrzeugbereich übertragen lassen, hat die Landwirtschaft doch ganz eigene Herausforderungen. Einer der wichtigsten Faktoren ist der Einfluss auf die landwirtschaftliche Umwelt.Heer erklärt, dass diese Herausforderung mit einer besonderen Aufmerksamkeit hinsichtlich Oberflächenbehandlung und Materialauswahl einhergeht. „Es müssen einige zusätzliche Tests durchgeführt werden, aber es kommt auch auf die Materialauswahl an“, sagt er. „Unsere Ingenieure wissen, welche Materialien für die jeweilige Umgebung geeignet sind.“
Expertise in den Bereichen Installation und Systemintegration
Die Leistungsfähigkeit von Bremssystemen in der Landwirtschaft hängt nicht nur von der Qualität der einzelnen Komponenten ab, sondern auch von einer angemessenen Konstruktion und Installation. Die Reaktionszeit ist ein entscheidender Faktor und muss über das gesamte System hinweg berücksichtigt werden. Dies erfordert eine besondere Aufmerksamkeit in Bezug auf die Führung der Druckluftleitungen.
Auch wenn Haldex hinsichtlich der Reaktionszeit Komponenten mit den notwendigen Eigenschaften anbietet, können zu viele Biegungen in den Druckluftleitungen oder zu enge Leitungen den Druckaufbau erheblich beeinträchtigen und die Reaktionszeiten verlängern.
„Bei zu vielen Krümmungen in der Leitung verlangsamt sich der Druckaufbau“, erklärt Heer. „Letztendlich muss das gesamte Fahrzeug eine Zulassungsprüfung bestehen. Das bedeutet, dass die Reaktionszeit eingehalten werden muss.“
Heer empfiehlt, Krümmungen und Verengungen sowohl in der gelben als auch in der roten Leitung auf ein Minimum zu beschränken. Darüber hinaus führt die Installation des ELR in der Nähe des STCV zu kürzeren Leitungen und trägt so zu optimalen Reaktionszeiten bei. Haldex arbeitet eng mit Fahrzeugherstellern zusammen, um die erforderliche Leistung im Bereich Sicherheit zu erzielen.
Von den Erfahrungen im Bereich Nutzfahrzeuge profitieren
Die Expertise von Haldex in Bezug auf Bremssysteme in der Landwirtschaft baut direkt auf der umfangreichen Erfahrung des Unternehmens im Nutzfahrzeugsektor auf. Technologien können zwischen verschiedenen Segmenten ausgetauscht werden – mit entsprechenden Anpassungen an die speziellen Anforderungen des jeweiligen Marktes.
Mitunter benötigen kleinere Unternehmen der Landmaschinenindustrie mehr technische Unterstützung als ihre Kollegen aus dem Nutzfahrzeugbereich. Heer weist darauf hin, dass Bremssysteme für kleinere Landmaschinen relativ einfach sein mögen, sie aber mit zunehmender Fahrzeuggröße und verschärften gesetzlichen Anforderungen immer komplexer werden.
Die lange Historie im Bereich Bremssysteme, die auf die traditionsreiche Marke Haldex zurückgeht, bevor sie ein Teil von SAF-HOLLAND wurde, bildet die Grundlage für den großen Erfahrungsschatz und die bewährten Lösungen. . Mit dieser Erfahrung versteht Haldex nicht nur die technischen Anforderungen, sondern auch die konkreten Herausforderungen bei der Einführung von Bremssystemen in der Praxis.
Die Landwirtschaft im Fokus
Für Haldex hat die Landwirtschaft eine strategische Priorität. Dies spiegelt sowohl die wachsende Bedeutung dieses Sektors als auch die damit verbundenen technischen Herausforderungen wider.
Obwohl aktuelle Produkte wie das STCV und ELR mittlerweile auf dem Markt etabliert sind, entwickelt das Unternehmen auch weiterhin neue Lösungen. Auch wenn Einzelheiten zukünftiger Produkte noch vertraulich sind, deutet Heer an, dass Integration ein zentrales Thema sein wird. Durch die Bündelung mehrerer Funktionen in weniger Komponenten will Haldex den Installationsaufwand und die Kosten für Fahrzeughersteller reduzieren und dabei die Leistung verbessern.
Erfüllung der Anforderungen an die Ernährungssicherheit
Größere, leistungsfähigere Maschinen sind ein zentraler Aspekt bei der Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Ernährungssicherheit. Sie ermöglichen es den Landwirten, mehr Land schneller zu bewirtschaften und mit den verfügbaren Arbeitskräften größere Betriebe zu führen.
Heer betont, dass die Aufgabe von Haldex bei diesem Branchenwandel darin besteht, sicherzustellen, dass die Produktivitätssteigerung nicht auf Kosten der Sicherheit geht. „Wir möchten mitwirken und die Bedürfnisse des Marktes erfüllen“, sagt er und verweist dabei auf das Engagement des Unternehmens hinsichtlich der Entwicklung von Technologien, die einen sicheren Betrieb moderner Landwirtschaftstechnik ermöglichen.
Die Spezialteile von Haldex für den Einsatz in der Landwirtschaft, inklusive STCV und ELR, sind zielgerichtete technische Lösungen für die besonderen Herausforderungen im Zusammenhang mit modernen Landmaschinen. Diese Technologien beruhen auf einer jahrzehntelangen Erfahrung im Nutzfahrzeugbereich, erfüllen die speziellen Anforderungen der Landwirtschaft und tragen dazu bei, auf sichere Art und Weise die Produktivität zu steigern.
Da der Agrarsektor in der Strategie „Drive 2030“ von SAF-HOLLAND group einen immer höheren Stellenwert ausmacht, engagiert sich das Unternehmen für die langfristige Entwicklung und Unterstützung dieser Branche und sorgt dafür, dass landwirtschaftliche Maschinen mit zunehmender Leistungsfähigkeit auch sicherer werden.


